Alison ist nun ein Jahr bei mir. Es ist Zeit für ein kleines Trainings-Fazit. Das sieht leider nicht so gut aus. Sie könnte schon viel besser trainiert sein und dadurch mehr Freiheiten genießen. Warum ist das so? Da sind auf der einen Seite mein Zeit- und Energie-Budget – beides Corona-gebeutelt. Da sind auf der anderen Seite aber auch die typischen Situationen einer Mehrhundehalterin – so wie gestern zum Beispiel: Ca. 20 Meter vor mir bzw. 5 Meter vor Ardo, springt eine Ricke (weibliches Reh) über den Weg. Ich stoppe zuerst Cookie und leine ihn an, dann pfeife ich Ardo zurück und nehme ihn bei Fuß. Alison ist an der Leine und ich halte sie einfach nur, weil ich mit den Freiläufern beschäftigt bin in dieser ich nenne es mal Akut-Situation. Was lernt Alison daraus? Nichts Gutes. Sie hat Frust durch die Leine, steigert sich rein und es findet keine Interaktion mit ihr statt. Neben dem nicht adäquat trainieren können, gibt es aber noch weitere Faktoren der Mehrhundehaltung in Kombination mit Jagdverhalten, um die es in diesem Artikel gehen wird.
Warum jagen eigentlich manche Hunde einzeln kaum oder gar nicht und in Gesellschaft anderer plötzlich doch?
Das ist ein sehr häufig zu beobachtendes Phänomen. Der einzelne Hund läuft brav auf dem Weg und lässt sich am Wild gut stoppen – doch sobald der Hundekumpel dabei ist, wird in den Wegrändern gestöbert und dem Wild nachgesetzt. Dann wird oft gesagt, der Hund wüsste genau, das sein Frauchen oder Herrchen ihm gerade keine Aufmerksamkeit schenkt und er jetzt „Mist“ machen kann. Wenn dem so ist, dann wird er das auch alleine tun, sobald du abgelenkt bist. Also beispielsweise das nicht ganz unrealistische Szenario, dass du beim Spaziergang mit deinem Smart-Phone beschäftigt bist. Wenn es wirklich nur um deine Aufmerksamkeit geht, dann würde dein Hund diese Situation ebenfalls nutzen, um den Jagdfreuden nachzugehen – übrigens vor allem der über Strafen erzogene Hund. Denn der ist eher darauf gepolt diese Lücken der Aufmerksamkeit seiner Menschen ausfindig zu machen. Immerhin wird er dann doppelt belohnt: Er hat Spaß UND die Strafe bleibt aus!
Stellst du jetzt fest, dass er sich trotz deiner mangelnden Aufmerksamkeit weiterhin „normal“ verhält, dann könnte eine weitere Erklärung sein, dass dein Hund in der Gegenwart von anderen oder bestimmten Hunden aufgeregter ist als alleine. Durch das höhere Erregungsniveau steigt seine Bereitschaft für Adrenalin-begünstigende Verhaltensweisen wie Stöbern und Hetzen. Wer kennt das nicht? Wenn der Hund sehr aufgeregt ist, kann manchmal der kleinste Bewegungsreiz wie ein herabfallendes Blatt plötzlich den Hund interessieren.
Mein verstorbener Großer Münsterländer Alma war so ein Hund, wo selbst Hunde, die an Jagd nicht interessiert waren, ihre Energie quasi aufgesogen haben und dann begeistert mitgerannt sind. Ich hatte in Kombination mit Alma einige Hunde für den Tierschutz in Pflege zur Vermittlung. Es gab keinen, der nicht jagen gehen wollte. Im neuen Zuhause dann, war das jagdliche Interesse deutlich geringer. Sobald wir uns dann ab und an zum gemeinsamen Spaziergang getroffen haben, waren die Hundebesitzerinnen irritiert, wie sich ihre Hunde in der Gegenwart von Alma benahmen. Wenn zwei oder mehr Hunde sich gegenseitig so anstacheln, ist es noch gut zu händeln, wenn man sich dann ab und zu zum Spaziergang in einem geeigneten Gebiet trifft, wo das Duo (oder Trio oder …) infanale dann nicht viel anstellen kann – oder doch lieber einfach zum Kaffee trinken im Garten! Gehören einem selbst aber beide Hunde, dann kann es anstrengend werden …
Cookie, mein Spaniel aus dem Tierschutz sollte eigentlich nach dem Tod von Alma Einzelhund bleiben. Das war immerhin 6 Monate der Fall bis ich meinen neuen Partner Raymond kennen lernte mit seinem Deutsch Langhaar Ardo. Da jeder seinen eigenen Haushalt hat, gab es einige Tage in der Woche, wo beide Hunde immer noch Einzelhund waren. Ardo war bereits gut ausgebildet und auch Cookie wurde so zuverlässig, dass ich mir vorstellen konnte noch einen Hund dazu zu nehmen. Zumindest Ardo hatte Cookies jagdliches Interesse nicht groß verändert und umgekehrt auch nicht. Die beiden Jungs konnten problemlos zusammen freilaufen und gehorchten gut. Dann kam Alison als Pflegehund. Alison kam als kleine Tonne mit massiven Übergewicht. Da war schon klar, dass die Dame viel Energie hat – kein Wunder, sie ist vermutlich ein Working Spaniel. Es kam der übliche Verlauf. Wenn die Hunde noch etwas unsicher sind bezüglich ihrer neuen Lebensumstände, dann ist das Jagdverhalten erstmal gehemmt. Alison konnte die ersten Wochen problemlos im Grünen freilaufen. Es schien so als kannte sie spazieren gehen nicht wirklich und die damit verbundenen Verlockungen auch nur bedingt. Allerdings hat sie sich viel an den Jungs orientiert und recht schnell gecheckt, wofür die sich alles so interessieren und die Interessen aufgegriffen. Wir werden es nie wissen, ob sie ohne ihre Vorbilder genauso viel Jagdtrieb entwickelt hätte … Alison ähnelt meiner Alma sehr stark und hat uns alle bezaubert. Uns war außerdem klar, dass es auch nicht ganz einfach würde ein passendes Zuhause zu finden, da sie einige „Macken“ mitgebracht hatte. Wir sind dann Pflegestellen-Versager geworden und haben sie adoptiert. Im Laufe der Zeit hat Alison jagdliches Interesse zugenommen und es hat sich immer mehr so ergeben, dass Cookie sich von Alisons Energie hat anstecken lassen. Im Winter 2020 musste ich dann erkennen, dass auch Cookie wieder an die Leine musste, weil er immer öfter seinen guten Gehorsam vergaß. Zum Glück sind beides keine großen Hunde und zumindest von der Kraft her problemlos für eine Person zu händeln. Doch trotzdem sind zwei lange Leinen ein Garant für Chaos – genau das, was ich nicht wollte. Das ist in der Mehrhundehaltung tatsächlich der nächste schwierige Faktor:
Was mache ich, wenn ich zwei oder sogar noch mehr meiner Hunde wegen jagdlichem Interesse nicht ableinen kann?
Anleinen, logisch. Verwende ich kurze Leinen, dann muss klar sein: Das ist reines Management – und aus meiner Sicht Schlechtes dazu. Denn je kürzer die Leine ist, desto weniger hat der angeleinte Hund vom Spaziergang und ich habe auch keine Möglichkeit Rückruf, Stopp auf Distanz & Co. zu festigen. Das bedeutet, dass ich eigentlich nur hoffen kann, das mein Hund mit dem Alter vernünftiger wird, denn mangels Training wird sich an der Situation nichts verändern. Die nächste Option ist, dass ich einen der beiden Hunde an die lange Leine nehme und mit ihm trainiere, während der zweite Hund an der kurzen Leine oder einer Flexileine mitgeführt wird (die ich ggf. auch am Hüftgurt befestigen könnte). Zwischendurch wird gewechselt. Ja, und dann gibt es natürlich noch die Option alle Hunde an der langen Leine zu führen, evtl. eine schleifend, eine in der Hand oder beide in der Hand oder beide schleifend – das hängt dann sehr von dem jeweiligen Hund und dem Menschen ab, was da praktikabel ist. Ich persönlich empfinde mehr als eine Leine als anstrengend – es sei denn, alle Hunde laufen bei Fuß oder hinter mir – das ist für mich aber nicht der Sinn eines Spaziergangs. Also bin ich dran interessiert, das möglichst alle meine Hunde freilaufen können. Cookie läuft nun wieder frei, Alison nicht überall.
An dieser Stelle kommt häufig der Tipp: Dann muss der Mensch halt getrennt mit seinen Hunden spazieren gehen und üben. Mal davon abgesehen, dass das in vielen Fällen wenig Effekt hat, steckt hinter diesem Vorschlag ein deutlich erhöhter Zeitaufwand UND für den einzelnen Hund mehr Zeit, die er zusätzlich alleine ist. Hinzu kommt, das viele Mehrhundehaltergruppen gut zusammen allein bleiben, aber oft Frust schieben, wenn nur ein einzelner Hund der Gruppe bespaßt wird, während der Rest der Gruppe zurück bleibt. Aber das ist ein Thema für einen eigenen Artikel :-)
Es gibt Übungen, die kann und sollte man einzeln trainieren. Die werden ausführlich in meiner Onlinekurs-Aufzeichnung zur Mehrhundehaltung behandelt – auch wie man in der Gegenwart aller Hunde mit einem Hund einzeln üben kann, während die anderen brav warten. Diese Übungen kann man häufig allerdings auch im Garten und Haus durchführen – dafür muss ich nicht getrennt spazieren gehen. Spannender sind Situationen wie Wild-Begegnungen, frische Wildspuren und Co.. Wenn der einzelne Hund da noch nicht Gehorsam ist, dann kann es mir das Training erleichtern, wenn ich diese Situationen einzeln übe. Doch sobald der einzelne Hund gut gehorcht, hilft es nur noch beim gemeinsamen Spaziergang zu üben – denn nur dann entsteht die Erregungslage und die Eigendynamik, die vielen Mehrhundehaltern das Leben erschwert – nicht nur bezogen auf das Jagdverhalten, sondern auch auf Hundebegegnungen, Besuch ins Haus lassen und andere typische Mehrhundehalter-Baustellen.
Wenn die Hunde sich „verbrüdern“, dann passiert es oft, dass der Mensch plötzlich nicht mehr integriert ist in die Gruppe – genau das muss sich ändern. Alle Gruppenmitglieder sollen sich an ihrem Menschen in den problematischen Situationen orientieren und nicht untereinander – das ist die Kunst der Mehrhundehaltung!
Was möchte ich zukünftig ändern für Alison?
Tja, damit sich was ändert, reicht es nicht nur zu wissen, was man tun müsste, sondern es auch zu tun. In meinem konkreten Fall bedeutet dass, das ich mir Zeit im Kalender blocke, um mit Alison gestellte Übungen unter Ablenkung zu machen. Ich habe außerdem die Möglichkeit, dass ich tageweise mit ihr alleine spazieren gehen kann – in der Hoffnung Wild zu treffen. Und ansonsten geht es manchmal auch darum seine Erwartungen runter zu schrauben. Das bedeutet konkret, dass ich mich einfach damit abfinde, dass Alison länger brauchen wird bis sie so gehorcht, dass sie überall im Grünen ableinbar ist als wenn Alison Einzelhund wäre und ich mehr Zeit und Energie aufwenden würde für Alisons Training.
Hallo Pia, wir habe 3 Basset Fauve de Bretagne, mittlerweile keinen jungen Hunde mehr (11, 9 und 8) trotzdem ist der Jagdtrieb hoch und ungebrochen. Ich gehe mit 3 Schleppleinen a 5 Meter. Ja manchmal ist es eine Herausforderung für mich, aber da wir unmittelbar am Waldrand wohnen mehr als nur nötig. Manchmal (aber wirklich nur manchmal) tut es mir leid sie nicht einfach laufen lassen zu können. Andererseits sind 5 Meter im Umkreis ein schöner Radius die Wegränder abchecken zu können und in den Wald sollen sie eh nicht. Was ich mir jedoch manchmal wünschen würde, wären sicher eingezäunte große Bereiche ohne Wild, in denen sie dann auch frei laufen dürfen (Dänemark bietet so etwas fast überall an – Hundewälder).
Viele Grüße aus Bayern
Hallo Doris,
lieben Dank für deinen Kommentar. Im Nachbarland Niederlande gibt es auch einige dieser eingezäunten oder wildarmen Gebiete – aber auch in Deutschland kommen immer mehr dazu. Ich drücke die Daumen, dass das auch bald bei euch der Fall sein wird – ansonsten kann man da bei der Kommunalpolitik auch mal nachfragen …
Hut ab vor 3 Leinen! Ja, zum Glück sind für die Meutehunde das Schnüffeln besonders wichtig, so das die 5-Meter-Leinen da einen gewissen Spielraum bieten. Für Hunde, denen die schnelle Bewegung wichtig ist, würde das nicht so gut klappen.
Dir und deinen Hunden weiterhin eine schöne Zeit!
Viele Grüße aus dem Kreis Recklinghausen,
Pia