Im Folgenden erwartet dich die Geschichte meines Tierschutz-Spaniel Cookies und unserem manchmal steinigen Weg im Zusammenleben mit einem Hund, der Aggressionen gegen seine eigenen Menschen zeigt. Ich hoffe, dass die eine oder andere unserer Lösungen Denkanstöße für andere Mensch-Hund-Teams oder auch Trainerkollegen liefern. Als ehemalige Pflegestelle von Cocker und Setter in Not e.V. habe ich schon viele Spaniel in ein neues Zuhause vermittelt – alle hatten so ihre „Baustellen“ mit denen ich als Pflegestelle konfrontiert war.

Vor etwa 5 Jahren habe ich Cookie, vermutlich einen Field-Spaniel, aus dem ungarischen Tierschutz übernommen. In Ungarn kam er aus einer Tötungsstation in eine Spaniel-Auffang-Hilfe. Hier leben die Hunde in einer großen Gruppe und werden von Judith versorgt. Mein zuvor verstorbener Spaniel-Setter Mix Migren stammte ebenfalls daher. Cookie wurde über Cocker und Setter in Not e.V. an mich vermittelt. Nach einem langen Autotransport holte ich mein Dickerchen am Treffpunkt ab – er wog über 30 kg (inzwischen unter 20 kg). Entweder gab es jede Menge Brot als Fressen oder er war besonders durchsetzungsfähig bei der Massen-Fütterung (ich vermute Beides :-)).

Cookie war in den ersten Tagen sehr angespannt und konnte sein großes Geschäft nicht verrichten. Und ja, bereits am ersten Tag hat er schon nach mir geschnappt.

Er kam mit einer Pflaumen-großen Beule auf dem Kopf (vermutlich durch einen Schlag ausgelöst eingewachsene Haare um die Herum sich Gewebe gebildet hat), Luftgewehrmonition im Körper und einer sehr langen Narbe im Hüftbereich. Ob traumatisiert oder sehr gestresst – ich kann es nicht einschätzen. Aber auf jeden Fall mit einem Sack voll negativer Erfahrungen im Bezug auf Menschen. Er mochte es nicht angefasst zu werden außerhalb seiner Kuschel-Laune. Je mehr Eindrücke er zu verarbeiten hatte, desto kleiner war seine Toleranz. Ab etwa 17 Uhr war es klug ihn das erste halbe Jahr gar nicht mehr anzufassen. Da schien stets sein Maß an Eindrücken ausgeschöpft zu sein. Cookie hat nicht geknurrt, sondern sein Blick hat sich verändert, die wenig aussagekräftigen Lefzen haben kurz gezuckt und dann hat er entweder in die Luft geschnappt oder auch zugegriffen (es hat selten geblutet, aber der Schreck ist natürlich immer groß).

Es gab neben den Unterschreiten der Individualdistanz (einschließlich Bürsten & Co.) natürlich auch Ressourcen als Aggressionsauslöser. Neben den Klassikern Futter und Spielzeug, verteidigt(e) Cookie auch unser Auto, Liegeplätze und Orte, an denen wir trainieren. Er hasst es, wenn ein anderer Hund sich in seine Übungen drängt. 

Intakte Rüden findet er allgemein blöd, vor allem wenn die aufdringlich werden. Und das passiert öfter, denn Cookie riecht anscheinend gut.

Zusätzlich hatte Cookie Angst vor Schuss(ähnlichen) Geräuschen. Er mag es auch nicht, wenn fremde Leute nach ihrem Hund pfeifen oder übermäßig rufen. Früher hat er sich bei angsteinflößenden Geräuschen oder Situationen sofort unter einem Busch verkrochen. Wenn man ihn dann greifen und rausziehen wollte, endete das wieder in Aggression.

Es gab also viele Gründe – von der Eingewöhnung in die neue Umgebung mal ganz abgesehen – ständig gestresst zu sein. In solchen Fällen ist es zum einen wichtig die Stressauslöser zu reduzieren – das war bedingt möglich und zum anderen positive Erlebnisse zu schaffen. Man kann sich das Vorstellen wie 2 Konten, auf denen eingezahlt wird. Das negative-Erlebnisse-Konto sollte deutlich weniger gefüllt sein als das positive-Erlebnisse Konto. (Hierzu mehr auch in meinem Bindungs- & Kommunikationskurs).

Also gilt es herauszufinden, was der Hund gerne mag. Falls das wenig ist, müssen neue Hobbys geschaffen werden. Das ist bei Cookie einfach. Er liebt es neue Dinge zu lernen. Tricks, Hundefitness, Nasenarbeit, mit Spielzeug spielen – Cookie ist für alles zu haben! So konnten wir viele Stressauslöser umschiffen, indem er z.B. gelernt hat über eine Rampe ins Auto zu gehen, so dass ich ihn nicht heben und damit seine Distanz unterschreiten musste. Er hat Pfötchen geben gelernt, damit ich seine Pfotenhaare schneiden kann und jede Menge mehr. Cookie liebt Wald-Agility, Bäume umrunden,verlorenes Spielzeug suchen, Bällchen holen, Tricks wie Hand-Target oder Zwischen die Beine gerannt kommen und einiges mehr waren unsere Gegenmaßnahmen, sobald Cookie beim Spaziergang durch irgendwas gestresst war. Verkriechen tut er sich schon lange nicht mehr. Wir behalten diese Taktik aber bei, wenn mal wieder ein schlechter Cookie-Tag ist, um potentielle Ängste im Keim zu ersticken.

Bei meiner verstorbenen Großen Münsterländerin hat Cookie sich leider seine Vorliebe zur Spurensuche abgeguckt. Das wurde eine seiner eigenständigen Strategien, dass er vermeintliche Wildspuren verfolgt hat als Übersprungsverhalten, also um sich besser zu fühlen. 

Ansonsten liebt Cookie Wasser, vor allem Ufer mit Wellen und die dahinter vermuteten Wasserratten. Schwimmen an sich, StandUpPaddling und Apportieren im Wasser lässt ebenfalls sein Herz höher schlagen und holt ihn aus Stress-Löchern hinaus. Eichhörnchen stehen auch hoch im Kurs. Aber auch Kleinigkeiten wie Teller ablecken und in die Spülmaschine zu steigen, um sich um die Vorwäsche zu kümmern, heben seine Laune massiv an. So ist unser interner Wortlaut „Cookie-rein“ für scheinbar blitzeblank sauberes Geschirr entstanden.

Sein wöchentlicher Höhepunkt ist das Mantrailing. Hier trotzt er jedem gruseligen Geräusch oder Ort und gerät völlig in Rage. Das tut ihm gut, da er sonst eher ein stiller Charakter ist.

Ich habe viel Medical Training gemacht. Dazu haben Cookie und ich ein Kooperations-Signal.  Er steht erhöht, wenn er gebürstet/verarztet/geschoren wird. Wenn es ihm zuviel wird, verlässt er das Podest statt mich anzugreifen. Ist für uns beide gut ;-) Natürlich gibt es jede Menge Leckerchen für still halten. Zu Beginn haben wir nur wenige Bürstenstriche geschafft, nun kann ich den gesamten Hund Bürsten oder auch mit der Schermaschine scheren.

Cookie liebt es zu kuscheln und zu spielen. Wenn er in böse Stimmung kommt, dann hilft es oft ihn mit hoher Stimme anzusprechen, ihn anzupusten (Achtung, ist kein pauschaler Tipp und kann bei einem anderen Hund gefährlich sein), mit dem Finger gegen seine Lefze zu stupsen oder andere Dinge zu tun, die ein Spiel einleiten. Cookie kann inzwischen auch wieder Knurren. Das Knurren verschwindet oft, wenn der Hund dafür gestraft wird, so vermutlich auch bei ihm geschehen. Er hat nun aber festgestellt, dass wenn er knurrt, dass er dann in Ruhe gelassen wird. Das führte zu einer Phase, wo wir täglich x-Mal angeknurrt wurden. An sich ja prima, wenn er nun vorwarnt, aber er hat es dann wieder etwas übertrieben :-) Wer knurrt, muss das Sofa/Bett verlassen, hat dann schnell wieder die Gründe ständig zu Knurren eingedämmt plus die Umlenkung in gute Laune.

Die Zeit hat natürlich auch eine gewisse Gewöhnung gebracht und Cookies Stress-Level gesenkt. Ich empfinde Spaniel im Vergleich zu anderen Hunden als sehr bedacht auf geregelte Tagesabläufe. Abweichungen von Routinen stressen. Das ist ein Punkt, wo er leider im Alltag einer Selbstständigen ziemlich viel Pech hat. Jeder Tag ist etwas anders, oft sind hündische Urlaubsgäste da usw..

Nach dem Tod meiner Münsterländerin war Cookie erstmal Einzelhund und wäre es auch gerne geblieben. Für sein Stresslevel wäre das auch besser gewesen. Aber mein neuer Partner hat ebenfalls einen Hund, ausgerechnet auch noch einen Deckrüden. Das hat einige Monate gedauert bis Cookie Ardo akzeptiert hat und ihn inzwischen sehr mag. Ardo zeigt uns auch stets als erster, wenn Cookie böser Stimmung ist. 

Cookie hat mal eine Zeit lang den Küchenboden intensiv nach Krümeln abgeleckt. Wir hatten uns da nichts bei gedacht, lediglich bemerkt, dass es er immer übellauniger wurde und neuerdings sehr viel trinken und danach pinkeln musste. Dann kam noch ein Magen-Darm-Infekt hinzu, an dem er fast gestorben wäre. Zuerst sah es so aus, dass er Diabetes hätte. Doch dank unseres Tierarztes mit Detektiv-Eigenschaften sind wir drauf gekommen, dass er sich vergiftet hat. Und zwar ganz langsam anscheinend an den zur Bodenreinigung verwendeten Reinigungsmitteln. Das haben wir allerdings erst gemerkt als die Putzfee für ein paar Wochen ausgefallen war. Das Hobby Krümel vom Boden lecken wurde dann natürlich gestrichen. Nachdem er sich erholt hatte, war er auch nicht mehr wegen Kleinigkeiten gereizt.

Dann kam Alison, unser Working Spaniel aus der selben Auffang-Station in Ungarn zu uns. Erst als Pflegehund und dann haben wir sie behalten, da sie auch nicht ganz unproblematisch war und uns gleichzeitig sehr gut gefallen hat. Mit Hündinnen ist Cookie nett. Allerdings versteht er bei Ressourcen auch da keinen Spaß. Eine Besonderheit bei Cookie ist, dass er, wenn er arbeiten darf – egal ob Dummytraining, Tricks oder Nasenarbeit, in eine ungute Stimmung kommt im Bezug auf andere Hunde. Er möchte das am liebsten ganz alleine machen. Dann ist es vorgekommen, dass er auch mal Alison angegangen ist. Das hat sie sich einige Monate gefallen lassen. Aber irgendwann ist es eskaliert und sie hat sich gewehrt. Leider hört Alison dann nicht mehr auf zu kämpfen und Cookie ebenfalls nicht. Es braucht dann 2 Personen um sie zu trennen. Auch dies hat uns einige Monate belastet. Sie sind noch zwei weitere Male in der Art aneinander geraten. Beim letzten Mal hat Cookie anscheinend verstanden, dass es einfach keine gute Idee ist Alison anzugreifen. Sie haben ihren Frieden nun seit über einem Jahr gefunden und spielen sogar manchmal miteinander.

Cookie und die Familie ist so eine Sache. Die Kinder wissen inzwischen sehr genau, was mit Cookie möglich ist und was nicht. Er liebt es mit den Kids durch den Wald zu turnen, mit ihnen Hindernisparcoure zu absolvieren und Ähnliches. Auch an der Leine ist er der beliebteste Hund, da er sehr leinenführig mitläuft – es sei denn, es kommt sein Feind der Bernhardiner ;-) Auch Nichten und Neffen und die Erwachsene Verwandtschaft kann Cookie so nehmen, wie er ist. Im Zweifel lieber einmal weniger anfassen ist die Devise … Zum Glück sind alles Hundefreunde, sonst würden Familienfeiern sicherlich anstrengender ablaufen. 

Inzwischen sind wir alle recht eingespielt. Wir wissen, wann Cookie Ruhe benötigt. Er zieht sich dann auch eigenständig zurück. Er wiederum wirkt nach außen hin wie ein absolut alltagstauglicher Hund, der uns überall hin begleitet und sich (fast immer ;-)) gut benimmt. Ihn immer und jederzeit anfassen, tun wir nicht. Im Gegensatz zu unseren anderen beiden Hunden werden wir da sicherlich auch immer ein Auge drauf haben müssen, genauso wie an Tagen, wo es ihm einfach nicht gut geht und er dann knurriger wird. So kann es sein, wenn man sich für einen Tierschutz-Cocker entscheidet. Gerade deswegen erfreuen wir uns bei Cookie aber auch an Dingen, die bei anderen Hunden ganz selbstverständlich sind. Sein Sinn für Humor, seine Schrulligkeit und all seine lieben kleinen Marotten zaubern uns sehr oft ein Schmunzeln ins Gesicht!


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